Jugend, Familie und Soziales

Gießens Wirtschafts- und Bevölkerungsstruktur bringen erhebliche soziale Lasten für die Stadt mit sich. Sozialpolitische Maßnahmen allein können diese Situation nicht ändern. Eine grundlegende Verbesserung der Sozialstruktur in Gießen kann nur durch eine bessere Wirtschaftsstruktur erreicht werden. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten muss sich unser soziales Netz bewähren. Dabei streben wir eine möglichst effiziente Erbringung sozialer Leistungen an. Dies kann nur durch eine enge Zusammenarbeit der Stadt mit den Wohlfahrtsverbänden und anderen sozialen Initiativen erreicht werden. Ziel unserer Sozialpolitik bleibt dabei die Hilfe zur Selbsthilfe.

Die Familie ist die Keimzelle unserer Gesellschaft. In Anbetracht der demographischen Entwicklung müssen deshalb in Gießen weiterhin Anreize für die Gründung und Ansiedlung junger Familien geschaffen werden. Neben den "traditionellen" Erziehungsaufgaben muss sich die Familie immer mehr der Konfliktbewältigung stellen. Gewalt, Drogenmissbrauch und Kriminalität sind Probleme, die die Familien oft nicht allein bewältigen können; sie bedürfen hierzu unserer angemessenen Hilfe. Der Ausbau von Kindertagesstätten zu Familienzentren ist dabei ein erster Schritt in die richtige Richtung. Kinder und Jugendliche brauchen außerdem unsere Unterstützung bei der Gestaltung ihrer Freizeit und ihres Umfeldes, damit sie Konfliktsituationen bewältigen lernen und Eigeninitiative sowie Verantwortungsbewusstsein entwickeln.

Gebührenfreies Kindergartenjahr

Die vom letzten Magistrat veranlasste Neuauflage der Gebührenstaffel führte einerseits zu einer generellen Gebührenerhöhung und andererseits zu einer Gebührenpflicht des bisher beitragsfreien letzten Kindergartenjahres. Es handelt sich um einen sozialpolitischen Skandal ersten Ranges, den wir entschieden ablehnen. Wir möchten Wissensdurst und Aufnahmebereitschaft der Kinder vor der Schulzeit nutzen und fördern. Als erster Schritt steht dabei die Rückkehr zum bisherigen beitragsfreien Jahr. Darüber hinaus dürfen weitergehende Entlastungen keinen Denkverboten unterliegen, sondern müssen geprüft werden. Damit kann für alle Gießener Kinder eine verbesserte Chancengleichheit am Beginn des Bildungsweges erreicht werden.

Ausbau der Kinderbetreuungsplätze und qualitative Verbesserung der Kinderbetreuung

Die Betreuungsmöglichkeiten in Gießener Kindertagesstätten sind durch zusätzliche Plätze für unter dreijährige Kinder und für Grundschulkinder bis zum 6. Schuljahr ausgebaut worden und werden weiter ausgebaut. In manchen Stadtteilen sind die KiTa-Kapazitäten (insbesondere die U3-Betreuung) bereits ausgeschöpft. Wir werden daher den weiteren Ausbau eines breiten Angebotes von kommunalen und freien Kindertageseinrichtungen vorantreiben. Eventuell notwendige zusätzliche Finanzmittel muss das Land Hessen im Rahmen der erlassenen Bundesgesetze der Universitätsstadt Gießen entsprechend des nachgewiesenen Bedarfs zuweisen. Das qualitativ hochwertige Niveau der Betreuungseinrichtungen ist durch die Möglichkeit zur Teilnahme an entsprechenden Fortbildungs- und Spezialisierungsmaßnahmen sowie durch eine ausreichende personelle Ausstattung sicherzustellen. Die Verbesserung der vorschulischen Bildung wird von uns auch im Hinblick auf die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund als zwingend notwendig angesehen.

Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll der Weg der Modularisierung und Flexibilisierung der Angebote in Kindertagesstätten weitergegangen werden. Die Öffnungszeiten der Kindergärten müssen an die Lebenswirklichkeit der Menschen angepasst werden. Ziel muss es sein, Familie und Beruf vereinbaren zu können.

Auch Angebote von freien und privaten Trägern sollen weiterhin gefördert werden.

Jugend- und Schulsozialarbeit

Jugendliche mit Problemen benötigen Hilfe, damit sie im schlimmsten Fall nicht in Sucht und Kriminalität abgleiten. In Jugendtreffs und Gemeinschaftszentren freier Träger müssen gefährdeten Jugendlichen weiterhin vielfältige Hilfen angeboten werden, die den jungen Menschen Perspektiven eröffnen. Es muss Aufgabe der Kommune sein, Träger der freien Wohlfahrtspflege zu unterstützen. Dies gilt insbesondere bezüglich der Abklärung des Bedarfs an zusätzlichen Jugendtreffs in den bislang unversorgten Stadtteilen. Grundsätzlich ist dezentralen, im sozialen Umfeld angesiedelten Angeboten Vorrang einzuräumen und ein erfolgsorientiertes, integratives Konzept zu entwickeln.

Bei Konfliktsituationen zwischen Jugendlichen und Anwohnern wegen informeller Jugendtreffs ist auch zu sogenannten „Unzeiten“ die aufsuchende Jugendsozialarbeit verstärkt einzusetzen. Viele Probleme werden zuerst in den Schulen offenbar. Daher muss Sozialarbeit, die diese Probleme aufgreift, in den Schulen stattfinden und personell dem Bedarf entsprechend ausgestattet werden. An allen Schulen sind deshalb Ganztagsangebote in Zusammenarbeit mit Vereinen und freien Trägern auszubauen.

Kinder- und Jugendspielplätze

Die Spielplätze der Stadt Gießen sind nach wie vor ständig auf ihre Sicherheit und Sauberkeit zu überprüfen. Neben den vorhandenen, häufig eher für kleinere Kinder geeigneten Plätzen, müssen bei Renovierung und Neubau je nach demographischer Struktur des Sozialraums auch die Wünsche älterer Kinder und Jugendlicher beachtet werden. Bei diesen Maßnahmen ist der tatsächliche Bedarf im nachbarschaftlichen Umfeld zu berücksichtigen.

Verbandliche Jugendarbeit

Die Jugendarbeit in den Verbänden und Vereinen ist auch weiterhin zu fördern. Dies gilt gleichermaßen für den Stadtjugendring, die musiktreibenden Vereine wie auch für die Sportvereine. Daneben bedarf auch die Jugendarbeit der Feuerwehren und anderer am Gemeinwohl orientierter Gruppen besonderer Unterstützung. Sie leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Freizeitgestaltung, sondern fördern in erheblichem Maße das Verantwortungsbewusstsein gerade älterer Jugendlicher.

Jugendpflege und Ferienpass

Die Ferienpassaktion der Stadt soll in Zusammenarbeit mit Vereinen, Handel und Gewerbe weiter ausgebaut werden. Damit das Angebot weiterhin möglichst vielfältig und für Kinder und Jugendliche aus allen Schichten der Bevölkerung interessant ist, sollen durch verstärkte Zusammenarbeit mit den Nachbarkommunen gemeinsame Angebote entwickelt werden. Die jüngsten Beitragserhöhungen wollen wir auf den niedrigeren Beitragsstand im Jahr 2012 zurückführen.

Effektivere Arbeit im Kinder- und Jugendhilfebereich

Die Novellierung des SGB VIII (KJHG) mit dem Ziel des verbesserten Kinderschutzes führt unweigerlich zu einem zusätzlichen finanziellen Aufwand im Bereich der bereits jetzt den städtischen Haushalt stark belastenden Ausgaben der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe.

Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ist es angesichts der durch die Coronakrise verschärften Haushaltslage notwendig, die Effizienz der Abläufe und der eingesetzten Hilfen weiter zu verbessern.

Der Bericht des Landesrechnungshofes „Vergleichende Prüfung der Jugendämter in Hessen“ zeigt die Notwendigkeit einer Organisationsberatung im Jugendamt Gießen auf. Ziel dieser Beratung ist der möglichst effektive Einsatz von Mitteln und die Verschlankung von Abläufen, z.B. im Bereich der Tagesbetreuung oder der Betreuung junger Erwachsener, um auch bei hohen Fallzahlen die Erfüllung der Pflichtaufgaben sicherzustellen.

Die drei Säulen effektiver Jugendhilfe sind Gesundheit, Arbeit und Kriminalprävention. Deshalb streben wir eine verbesserte Vernetzung von Jugendhilfe, Gesundheitswesen, Berufsförderung (GIAG) und Institutionen der Kriminalitätsprävention an. Im Bereich der Jugendhilfe der Stadt und des Landkreises Gießen sollen Synergieeffekte optimal genutzt werden. 

Jugendwerkstatt e.V.

Wir begrüßen die Bemühungen der Jugendwerkstatt um eine berufliche Integration Jugendlicher. Im Rahmen der Beschäftigungsmaßnahmen sollen auch zukünftig Jugendliche an den ersten Arbeitsmarkt herangeführt werden. Aber auch bei der Jugendwerkstatt ist darauf zu achten, dass durch ihre subventionierten Tätigkeiten private Unternehmen nicht vom Markt verdrängt werden.

Familienförderung

Die Kinderbetreuung in Gießen muss weiter quantitativ und qualitativ hochwertig ausgebaut werden. Die ämterübergreifende Arbeitsgruppe „Familienförderung“ soll ihre Arbeit weiter intensivieren.

Wir erwarten von dieser Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit der IHK und den Hochschulen Vorschläge zur verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Studium sowie Familie und Beruf, aber auch ein besseres familienorientiertes Verfahren bei der Vergabe von Baugrundstücken und der Planung und Ausweisung von Baugebieten,

denn Familienförderung ist in hohem Maße auch Förderung, sich im eigenen Heim niederlassen zu können. Wir setzen uns daher für die Wohnbauförderung von Familien für die erste selbstgenutzte Immobilie in Höhe der Grunderwerbssteuer ein. Damit werden Hürden zum Erwerb des Eigenheims gesenkt.

Dabei gilt für uns Freie Demokraten, dass überall dort, wo Menschen – unabhängig vom Geschlecht – nachhaltig Verantwortung füreinander übernehmen, Familie ist.

Menschen mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen

Beeinträchtigungen und Hilfsbedürftigkeit kann jedes Mitglied unserer Gesellschaft treffen und ist weder auf Kinder oder alte Menschen noch auf sonstige Gruppen beschränkt. Solche Menschen müssen sich die Welt anders aneignen, als dies Nichtbeeinträchtigte können. Dieser Tatsache wollen und müssen wir Rechnung tragen, um ihnen den bestmöglichen Zugang zum gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Wir wollen Berührungsängste abbauen und Menschen mit körperlichen und/oder psychischen Beeinträchtigungen stärker in die Gesellschaft integrieren. Kindern und Jugendlichen muss möglichst früh die Chance gegeben werden, ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Ein ständiger Kontakt zu nichtbeeinträchtigten Kindern ist dabei sicherzustellen und ihre völlige Inklusion in die Gesellschaft als höchstes Ziel anzustreben. Freie Träger und Vereine, die die Teilhabe der Beeinträchtigten am Gemeinschaftsleben ermöglichen, verdienen deshalb unsere besondere Unterstützung. Dabei darf die Fähigkeit zur Selbstorganisation nicht unterschätzt werden. Dies zu unterstützen, ist Aufgabe städtischer Politik. Die Stadt als Arbeitgeberin muss hierbei eine Vorbildfunktion wahrnehmen. Wir wollen Organisationen unterstützen, die zu einer Eingliederung von Menschen mit Beeinträchtigungen in den regulären Arbeitsmarkt beitragen.

Die Mobilität von Menschen mit Beeinträchtigungen hängt davon ab, ob sie sich in ihrer Umgebung sicher bewegen können. Hierfür ist die Ausstattung mit barrierefreien Bussen, Ampeln mit akustischen Signalen sowie abgesenkten Bordsteinen an Überwegen kontinuierlich auszubauen.

Integration

Integration ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Lebensbereiche und Politikfelder in unserem föderal organisierten Gemeinwesen betrifft. Die wichtigste Integrationsebene ist jedoch die Kommune. Hier leben, wohnen und arbeiten die Menschen. Hier sind Krippen, Kindertagesstätten, Schulen und Vereine, in denen gemeinsam gelernt und das menschliche Miteinander eingeübt wird. Die Ausländerbehörde muss ihre gestiegenen Aufgaben schneller und effizienter erledigen können und dazu entsprechend ausgestattet und organisiert werden.

In Gießen leben Menschen aus über hundert Nationen; viele von ihnen schon seit Jahrzehnten. Sie sollen unabhängig von Nationalität, Religion oder Weltanschauung sich hier wohl fühlen können. Dies erfordert sowohl Toleranz als auch die Fähigkeit, sich vorurteilsfrei mit dem jeweils Fremden auseinanderzusetzen.

Für uns bedeutet Toleranz einerseits Respekt deutscher Bürger gegenüber fremden Sitten, andererseits aber auch Akzeptanz deutscher Gewohnheiten durch Mitbürger mit Migrationshintergrund. Um in diesem Sinne ein verbessertes Zusammenleben der angestammten Gießener mit ihren zugewanderten Mitbürgern zu fördern, haben wir in der Vergangenheit beispielhaft für ganz Hessen die Stabsstelle eines/einer Integrationsbeauftragte(n) geschaffen. Die Freien Demokraten wollen den/die Integrationsbeauftragte(n) und den Ausländerbeirat auch in der nächsten Legislaturperiode bei der wichtigen Aufgabe unterstützen, zugewanderte und alteingesessene Bürger Gießens einander näherzubringen.

Dabei werden wir uns speziell um diejenigen kümmern, die auf Grund mangelnder Bildung und Qualifikation in Parallelgesellschaften leben. Unsere Aufgabe ist es deshalb, vor Ort Unterstützungssysteme, wie die interkulturelle Kindergartenfachberatung auszubauen, die zum frühen Erwerb von Sprachkompetenz, zur individuellen Förderung von Begabungen und nicht zuletzt zu einer gemeinsamen Werteorientierung beitragen. Die Gießener Volkshochschule leistet hier bereits einen wichtigen Beitrag.