Neuregelung unerlässlich

FDP und Einzelhändler fordern Planungs- und Rechtssicherheit für Sonntagsöffnung.

Gießen – Anlässlich des gerichtlichen Verbots der Sonntags-Ladenöffnung im Zuge des Liebig-Suppenfests trafen sich Landtagsvizepräsident Wolfgang Greilich (FDP) sowie der stellvertretende Ortsvorsitzende der FDP-Gießen und Stadtrat Dominik Erb zu einem Gespräch mit Heinz-Jörg Ebert, Vorsitzender des BIDs Seltersweg und exponierter Vertreter des Gießener Einzelhandels. Ebert, der kurz zuvor an einer Fachtagung zur zukünftigen Entwicklung des Einzelhandels teilnahm, berichtete zunächst ausführlich: „Der stationäre Einzelhandel steht bereits in den nächsten Jahren vor einem tiefgreifenden Wandel. Der Eventcharakter des Einkaufens wird noch stärker in den Vordergrund treten, wodurch sich der klassische Verkäufer hin zum Gastgeber des Einkaufserlebnisses entwickeln muss. Im Hinblick auf diesen Eventcharakter werden auch die verkaufsoffenen Sonntage eine ganz besondere Rolle spielen.“ Weiter informierte Ebert über die Abläufe und Hintergründe des jüngsten Verbots der Sonntagsöffnung. So ist es trotz einer Verabredung zwischen Einzelhändlern, Kirchen und Gewerkschaften, in diesem Jahr auf Maßnahmen gegen die geplanten Sonderöffnungen zu verzichten, zu einer Klage vor den Verwaltungsgerichten gekommen, die zu einer Untersagung der Sonntagsöffnung führte mit der Begründung, es fehle bei Liebigs Suppenfest an einem ausreichenden Anlassbezug. Die Klage habe nicht nur bei den Händlern, sondern auch bei vielen Kirchen- und Gewerkschaftsmitgliedern zu Kopfschütteln geführt.

Greilich berichtete über die erst im Juli 2016 im Landtag gescheiterte Gesetzesinitiative der Freien Demokraten, wonach ohne sonstige Änderungen ausschließlich der Anlassbezug aus dem Hessischen Ladenöffnungsgesetz gestrichen werden sollte. Die Gesetzesänderung zielte darauf ab, wie bisher die Öffnung an vier Sonntagen im Jahr zu gestatten, ohne dies mit der Voraussetzung eines besonderen Anlasses zu verbinden. Insbesondere die stillen Feiertage (Adventsonntage, Weihnachten, Karfreitag usw.) würden so weiterhin mit einem strikten Öffnungsverbot belegt bleiben. Die Öffnungszeiten an den maximal vier verkaufsoffenen Sonntagen würden auch nur maximal sechs zusammenhängende Stunden außerhalb der Zeit der Hauptgottesdienstzeiten betragen.

Verwundert zeigte sich Wolfgang Greilich über Äußerungen der Gießener Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz (SPD) und des CDU-Landtagsabgeordneten Klaus-Peter Möller, die sich bestürzt über die Untersagung der Ladenöffnung anlässlich des Suppenfestes äußerten, denn noch am 14. Juli hatten die Fraktionen nicht nur von Linkspartei und Grünen, sondern auch von SPD und CDU geschlossen gegen den Gesetzentwurf der FDP gestimmt. „Gleichwohl nehme ich die Äußerungen ernst und biete meinen Landtagskollegen Möller (CDU) und Merz (SPD) ausdrücklich an, jederzeit gemeinsam einen neuen Anlauf für eine gesetzliche Neuregelung im Hessischen Landtag zu machen. Im Interesse des Handels und der Menschen in Gießen ist nicht bloß reden, sondern handeln gefragt“, so der FDP-Landtagsabgeordnete.

Greilich wies Äußerungen von Oberbürgermeisterin Grabe-Bolz zurück, die Initiative der Freien Demokraten sei nicht umsetzbar gewesen, da sie gegen die Verfassung verstoße. „Die Verfassung verbietet keine Sonntagsöffnung. Sie verlangt vielmehr Feiertagsschutz. Und hierzu hat das Bundesverfassungsgericht lediglich im Jahr 2009 das Berliner Ladenöffnungsgesetz für verfassungswidrig erklärt, weil es völlig andere und weitergehende Regelungen enthielt als unser Vorschlag. In Berlin sollte die Öffnung an allen vier Adventsonntagen und an vier weiteren Sonn- und Feiertagen ohne besonderen Anlass und darüber hinaus auch noch an zwei weiteren Sonn- oder Feiertagen mit besonderem Anlass möglich sein. Nur dies erklärte das Verfassungsgericht für unzulässig. Es ging also um eine vollkommen andere Regelung, während unserem Vorschlag entsprechende Regelungen seit Jahren etwa in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und im Saarland ohne Beanstandungen funktionieren. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das Bundesverfassungsgericht mit einem Beschluss vom 27. Oktober 2016 (1 BvR 458/10, Pressemitteilung vom 30. November 2016) gerade weitere Akzente setzte, indem es von der anderen Seite her die restriktiveren bayerischen Regelungen, unter anderem zum Karfreitag, für verfassungswidrig erklärte. Dabei hat das Gericht darauf hingewiesen, dass auch bei der Frage der Sonn- und Feiertagsöffnung der Gesetzgeber frei in der Ausgestaltung des Ausmaßes des Feiertagsschutzes ist und dass selbst bei der Frage der so genannten „stillen hohen Feiertage“ eine Untersagung nur nach Maßgabe einer Abwägung im Einzelfall zulässig ist.“ Damit ist nach Auffassung Greilichs deutlich geworden, dass das Verfassungsgericht keineswegs so strenge Maßstäbe setzt, wie dies einige wenige Kirchenvertreter und die Gewerkschaften sowie möglicherweise die Gießener Oberbürgermeisterin noch heute fordern.

Der stellvertretende FDP-Ortsvorsitzende und Stadtrat Dominik Erb ergänzte hierzu, dass die Diskussion zur Sonntagsöffnung auf Initiative der Gießener FDP-Fraktion auch zeitnah im Rahmen der Stadtverordnetenversammlung geführt werden wird. „Die Debatte um verkaufsoffene Sonntage hat nicht nur Handel, Kirchen und Gewerkschaften bewegt, sondern auch die Gießener Bevölkerung. Deshalb gehört die Diskussion selbstverständlich auch in das Stadtparlament. Der Antrag der FDP-Fraktion zielt darauf ab, dass Oberbürgermeisterin Grabe-Bolz durch Gespräche mit den heimischen Landtagsabgeordneten Greilich, Möller und Merz darauf hinwirken soll, dass der Hessische Landtag eine Neuregelung des Ladenöffnungsgesetzes beschließt, die  maximal vier Sonntagsöffnungen im Jahr auch ohne Sonderereignis erlaubt. Ich bin gespannt auf die Argumentationen der übrigen Fraktionen und hoffe auf eine ähnlich konstruktive Debatte wie zuvor in den bilateralen Gesprächen zwischen den Landespolitikern und dem Einzelhandel, über die bereits in der Presse  berichtet wurde. Planungs- und Rechtssicherheit bei der Sonntagsöffnung sind wichtig für die Einzelhändler und entscheidende Faktoren für Gießen als Einzelhandelsstandort. Wir müssen dafür sorgen, dass die Stadt Gießen im Interesse der Gießener Bürgerinnen und Bürger geschlossen für eine rechtssichere Gesetzesänderung gegenüber dem Land eintritt“, so Erb.

Übereinstimmend stellten Ebert, Greilich und Erb fest, dass eine dauerhafte und tragfähige Lösung nur durch eine Gesetzesänderung möglich sei, mit der der strikte Anlassbezug aus der gesetzlichen Vorschrift entfernt werde. Diese Lösung sei keineswegs nur im Interesse des Handels, sondern insbesondere auch im Interesse der Beschäftigten und der Bürger in Stadt und Umland, die begrenzte Sonntagsöffnungen durchaus gerne annehmen.